Bio-IT-Innovationen
Innovationen an der Schnittstelle zwischen Biowissenschaften und Informationstechnologien
Die Hightech-Strategie 2025 verfolgt das übergeordnete Ziel, nachhaltige Lösungen für die großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu entwickeln und betont hierbei „das Zusammenwirken verschiedener Schlüsseltechnologien, durch das neue, auch radikale Innovationspotenziale erschlossen werden.“ Insbesondere das Zusammenwirken von Biowissenschaften und Informationstechnologien wird als sehr wichtig für zahlreiche Missionen der Hightech-Strategie gesehen, beispielsweise für die Missionen zu „Biologische Vielfalt erhalten“, „Krebs bekämpfen“, „Treibhausgasneutralität der Industrie“, „Plastikeinträge verringern“, „Nachhaltige Kreislaufwirtschaft“ und „Künstliche Intelligenz“.
In seinem Impulspapier „Bio-IT-Innovationen“ unterstreicht das Hightech-Forum den politischen und gesellschaftlichen Handlungsbedarf im Bereich der Bio-IT.
Zum neuen Impulspapier „Bio-IT-Innovationen“
Hier können Sie die Kurz-Expertisen zu „Bio-IT-Innovationen“ herunterladen (.zip)
In den vergangenen fünfzehn Jahren wurden große Durchbrüche in den Biowissenschaften, zum Beispiel die Omics-Technologien oder die Genomeditierung mit CRISPR, durch den Einsatz von Bio-, Informations- und Nanotechnologien ermöglicht. Die Sammlung und Analyse großer, digitalisierter Datenmengen wurde zu einem zentralen Thema der Biowissenschaften. Die Bioinformatik entwickelte sich zu einer wichtigen Disziplin. In den Informationstechnologien wiederum inspirierten biowissenschaftliche Fortschritte neue Forschungsfragen und Technologien. Das Hightech-Forum beobachtet, dass Biowissenschaften und Informationstechnologien zusehends in einer neuen Qualität und Intensität verschmelzen und sich dadurch bahnbrechende Bio-IT-Innovationen, aber auch neue Herausforderungen ergeben.
Die Biowissenschaften umfassen zahlreiche Fachrichtungen, die sich im Kern mit dem Aufbau und den Prozessen von Lebewesen beschäftigen. Forschungsgegenstand und -materialien haben einen klaren Bezug zu lebenden Organismen und sind vorwiegend biologischer und analoger Art. Die Informationstechnologien umfassen verschiedene Fachrichtungen, die sich im Kern mit der Hardware, Software und Kommunikationstechnik zur maschinellen Erzeugung, Speicherung, Verarbeitung sowie Übertragung digitaler Informationen beschäftigen. Forschungsgegenstand und -materialien haben einen klaren Bezug zu technischen Ressourcen und sind vorwiegend unbelebter und digitaler Art. Biotechnologien im herkömmlichen Verständnis führen Biowissenschaften und andere Technologien insofern zusammen, als biologische Materialien gezielt in technischen Anwendungen eingesetzt und verändert werden. Bei der Entwicklung von Bio-IT-Innovationen geht es um mehr als eine reine Digitalisierung der Biowissenschaften oder eine biologische Inspiration der Technik (Bionik).
Ein anschauliches Beispiel für Bio-IT-Innovationen ist die Verwendung von DNA als Speichermedium. So wie die Erbinformationen eines Lebewesens („Code of Life“) in DNA gespeichert sind und sich wieder auslesen lassen, ist dies auch für digitale Informationen möglich. Es ist z. B. 2019 gelungen, das gesamte englischsprachige Wikipedia in Form von DNA zu speichern und dann durch Sequenzierung der DNA wieder auszulesen. DNA ist ein extrem effizientes, platzsparendes und langlebiges Speichermedium. Eine andere bahnbrechende Bio-IT-Entwicklung ist das Design und die „Programmierung“ von Stammzellen oder DNA-Strukturen für die Herstellung von biologischen Kleinstrobotern, sogenannten Nanobots. Sie könnten in der Zukunft z. B. Tumore bekämpfen oder Mikroplastik in Gewässern sammeln.
Die Verschmelzung von Biowissenschaften und Informationstechnologien bringt einen Paradigmenwechsel im Grundverständnis beider Wissensgebiete mit sich: Das Analoge und das Digitale sind nicht länger zwei klar voneinander unterschiedene Erscheinungsformen, vielmehr werden sie miteinander verwoben, was unser Verständnis belebter und unbelebter Materie verändert. Die Menschen können lebende Organismen nicht mehr nur technisch verändern. Zukünftig kann Leben selbst zu einem technischen Konstrukt werden, in dem Sinne, dass es als digitale Information nachgebildet (z. B. digitaler Zwilling), erforscht oder gar ganz neu konstruiert werden kann. „Leben“ wird zum Gegenstand digitaler Methoden, wodurch Anwendungen wie personalisierte Medizin oder Präzisionslandwirtschaft erst möglich werden. In umgekehrter Richtung werden digitale Informationen zu organischem Leben, wie im oben angebrachten Beispiel der Speicherung von digitalen Daten in DNA oder beim 3D-Druck von biologischen Materialien.
Bio-IT-Innovationen als Beratungsthema des Hightech-Forums
Das Hightech-Forum stellt fest, dass Bio-IT-Innovationen aufgrund der wissenschaftlichen Fortschritte und der globalen Nachfrage nach neuen Lösungen für drängende Gesundheits-, Ernährungs- und Umweltprobleme weiter an Bedeutung gewinnen. Nicht zuletzt beflügelt der Einsatz sogenannter künstlicher Intelligenz (KI) die Durchdringung und Gestaltung biologischer Phänomene mit Hilfe der Informationstechnologien. Gleichzeitig verschärft sich der Wettbewerb um Talente, Investoren, Daten- und Marktzugänge und damit Anwendungserfahrungen unter den führenden Innovationsstandorten der Welt.
Innerhalb des Hightech-Forums berät sich ein Thementeam, bestehend aus Prof. Dr. Christiane Woopen (Themensprecherin), Dr. Martin Brudermüller, Prof. Dr. Sabina Jeschke, Dr. Marion Jung und Prof. Johannes Vogel, Ph.D., insbesondere zu folgenden Fragen:
- Welche wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Chancen und Herausforderungen sind mit der Konvergenz von Bio und IT weltweit und in Deutschland verbunden?
- Wie ist das Innovationssystem für Bio-IT in Deutschland aufgestellt?
- Erfordern Bio-IT-Innovationen neue ethische und sicherheitstechnische Überlegungen?
- Welche regulatorischen und politischen Erfordernisse ergeben sich eventuell daraus?
Beratungsprozess
Der Beratungsprozess zum Thema „Bio-IT-Innovationen“ verfolgt einen offenen Ansatz, durch den unterschiedliche Akteure aus Wissenschaft, Zivilgesellschaft und Wirtschaft in die Beratungen sowie die Entwicklung der Handlungsempfehlungen einbezogen werden. Die Ergebnisse eines Workshops (Synbio World Café) mit Vertreterinnen und Vertretern aus Wissenschaft, Gesellschaft, Politik und Wirtschaft sowie Kurzexpertisen (Fallbeispiele zu Bio-IT-Innovationen) dienten als Basis für weitere Gespräche mit ausgewählten Expertinnen und Experten, die anschließend in die Beratungen des Thementeams eingeflossen sind.
Die Empfehlungen aus den Beratungen zu Bio-IT-Innovationen wurden auf der 6. Sitzung des Hightech-Forums am 30. September 2020 im Plenum beraten und kommentiert und anschließend in Form eines Impulspapiers veröffentlicht. Am 28. Oktober werden die Empfehlungen und öffentlichen Kommentierungen des Papiers in einer Staatssekretärsrunde vorgestellt und beraten.
Synbio World Café
Am 9. Juli 2020 findet ein digitales World Café statt, das die German Association for Synthetic Biology (GASB e.V) gemeinsam mit dem Hightech-Forum durchführt. Weitere Informationen zum Programm und zur Anmeldung finden Sie hier.